Green City ist der Freiburger Slogan, den ich seit meiner Ankunft in Freiburg immer wieder lese. Freiburg ist grün, sozial und multikulturell. Als Vorbilder der StartUp Szene werden meistens das Silicon Valley, Berlin, Hamburg oder München diskutiert. Aber wie sieht es außerhalb der uns bekannten Grenzen aus? Dieser Frage bin ich nachgegangen und bin in die beiden vietnamesischen Metropolen Ho-Chi-Minh-Stadt, ehemals Saigon, und Hanoi gereist.
Wie ticken die Leute in Vietnam?
Vietnam ist ein sich schnell veränderndes Land. An vielen Stellen sind kleine bis große Baustellen – vom Hausbau bis zum Staudamm ist alles vertreten. Ich hatte das Gefühl, dass sich die Menschen mit der ununterbrochenen Veränderung abgefunden und der Perfektion in vielen Bereichen entsagt haben.
Das Mindset scheint zu sein: Es muss funktionieren und auch ein bisschen Spaß machen.
Diese Einstellung ist sofort entspannend, man akzeptiert Dinge, die man nicht ändern kann. Das führt aber keineswegs zur Resignation, sondern zu einem stetigen Bemühen das Beste aus der jetzigen Situation zu machen. Die Menschen im Vietnam arbeiten zudem viel und sind sehr geschäftstüchtig. Das geht so weit, dass wenn man als Tourist an einem Straßenstand eine Suppe und eine Cola bestellt (obwohl nur Suppe angeboten wird), dann schickt die Köchin ihren 10-jährigen Sohn zum Supermarkt: Kauf dem Mann seine Cola 😉
Süden vs. Norden
Wer sich noch an den Vietnamkrieg erinnern kann, weiß noch, dass damals der kommunistische Norden gegen den (von Frankreich und später Amerika) „unterstützen“ Süden gekämpft und schlussendlich auch gewonnen hat. Der Unterschied ist nach den vielen Jahren immer noch zu spüren. Der Süden mit Ho-Chi-Minh-Stadt fühlt sich viel schnelllebiger und hektischer an, als der noch entspannte Norden mit Hanoi.
Wie funktioniert die Wirtschaft?
Die meisten Deutschen sind angestellt und damit hat sich bei uns in diesem Bereich ein Verlangen nach Einkommenssicherheit entwickelt. In Vietnam hingegen gibt es im Verhältnis deutlich weniger große Firmen und kleine Betriebe, wie die zahllosen Essenstände, Copyshops, Cafes oder Einkaufsläden sind Familienbetriebe. Hier gilt das Credo: Jeder tut was er kann und wenn wir alle unser Bestes tun, dann reicht es auch für ein gutes Leben. Mich hat das an die Lebensverhältnisse vor ca. 100 Jahren bei uns am Land erinnert.
Auch über die Grenzen des eigenen Businesses arbeiten viele Geschäftsleute zusammen. Zum Beispiel teilt sich ein Baguette-Stand mit einem Kaffee-Stand den heiß begehrten Standplatz je nach Tageszeit. Morgens gibts Suppe, tagsüber Baguette und abends dann wieder Suppe.
Auf der anderen Seite haben großteils amerikanische VCs vor einigen Jahren begonnen auch in vietnamesische StartUps zu investieren. Dafür wird zum Beispiel in Ho-Chi-Minh-Stadt aktuell ein riesiger Technologie-Park an der Universität gebaut. Leider konnte ich den bestehenden, kleineren, Park nicht besuchen, da Besucher nur mit Termin akzeptiert werden. Wie ich an so einen Termin komme, habe ich leider nicht herausgefunden…
Die Kopierkultur
Wie in vielen asiatischen Ländern, wird auch im Vietnam alles kopiert, was kopiet werden kann. Zum Beispiel hat sich in Hanoi ein findiger Geschäftsmann vor nicht allzu langer Zeit gedacht: Ich verkaufe Bio-T-Shirts mit einem eigenen Label, die Europäer stehen da voll drauf. Nach nur kurzer Zeit findet sich nun in jeder zweiten Altstadtstraße ein „High-Quality-Bio-Label“.
Mich hat das zu denken angeregt: Ist das wirklich so schlimm wie wir immer meinen?
Mittlerweile bin ich der Meinung, dass die Kopierkultur für die Gesamtheit gut ist, auch bei Technologien. Erfindungen sind nicht einem vorbehalten und wenn mehrere Köpfe parallel am gleichen arbeiten können, dann kommt man schneller zu guten Ergebnissen. Nicht umsonst beteiligen sich auch große deutsche Konzerne an „Open-Innovation-Plattformen“, auch wenn sie nicht unter eigenem Namen auftreten. Der einzige Nachteil der Kopierkultur scheint mir eindeutig: Man muss am Ball bleiben und kann sich nicht auf seinen Erfolgen ausruhen.
Selbst die wenigen Startups, die ich bei meiner Recherche gefunden habe, sind meist Kopien von amerikanischen oder europäischen Startups, die bereits erfolgreich sind 😉
Einmalig – Der Honda-Cub Exchange
Nach langer Suche habe ich doch noch ein Unternehmen gefunden, dessen Angebot in Vietnam einmalig ist. Der Honda Cub Exchange restauriert alte Honda Cubs aus den 50er bis 70er Jahren und exportiert diese in die ganze Welt. Nach vietnamesischem Recht sollte das laut den vielen anderen Motorbike-Shops, die ich befragt habe, gar nicht möglich sein. Die findigen Unternehmer haben also einen Weg gefunden, der allen Konkurrenten seit einigen Jahren verwehrt ist – sehr clever, wie ich finde.
Mein Fazit
Vietnam ist ein sehr spannendes Land mit lieben Menschen, die fast alle hart für eine positive Zukunft arbeiten, ohne sich unnötig stressen zu lassen. Für mich klingt das nach einer gesunden, optimistischen Einstellung zur Arbeit.
Ich hoffe ich konnte Euch einen kleinen Einblick in das Thema Entrepreneurship in Vietnam geben. Für Fragen und Anregungen schreibt mir gerne.
Florian